Zoom KameraLieben Sie Filme? Dann kennen Sie die Macht des Objektivs. Wenn die Kamera in ein Motiv hineinzoomt, dann tauchen auch Sie in die Materie ein und lassen die bisherige Rahmenhandlung hinter sich. Sobald  die Kamera dann wieder herauszoomt,  werden die Details des Motivs unwichtig und das große Ganze rückt in den Vordergrund.

Dieses Zooming funktioniert auch in der Sprache und dient als rhetorische Methode, um auf ungelegene Fragen angenehme Antworten geben zu können. Man macht sich zunutze, dass es auch auf heiklen Themenfeldern stets Bereiche gibt, von denen man trotzdem gern erzählen mag. Und je spannender da die Detailschilderung ausfällt, desto mehr rücken andere unangenehme Fragen in den Hintergrund. Nun kann man nicht plump über Finanzen reden, wenn der Journalist nach Mitarbeitermotivation fragt, aber wenn man vertikal denkt, klappt es.

Wie funktioniert das? Dazu stellen wir uns ein unternehmerisches Thema wie eine Zwiebel vor. Unsere Beispielfrage: „Wie wollen Sie beim Thema „Industrie 4.0“ Schritt halten?“ Die Antwort-„Zwiebelschalen“ gestalten sich von außen nach innen zb. wie folgt:

  • ja, Industrie 4.0 ist ein wirklich sehr wichtiges Thema, gerade in Deutschland/ unserer Branche…. (äußerste Schale)
  • wir haben da schon über die Modelle A, B und C nachgedacht und in unserer Branche entwickelt sich die Nutzung von 4.0  ja Richtung Y….. (zweit-äußere Schale, denn Sie geben Ihre Strategiegedanken preis und werden danach wieder allgemein)
  • Wir verfolgen bereits das Modell B, haben schon die halbe Wegstrecke zurückgelegt…… (nächst innere Schale, denn Sie werden immer konkreter und laden zu immer konkreteren Nachfragen ein und lenken von anderem ab)
  • Wir haben bereits Maschine X gekauft, die kann sich mit den Maschinen Y und Z vernetzen. Hier haben wir bereits erste Versuche mit der Vernetzung hinter uns und dabei ist folgendes herausgekommen…… (Damit sind Sie sehr tief im Kern Ihrer Zwiebel angekommen, denn Sie geben sehr viel preis und es stellen sich für den Reporter viele neue Fragen. Sie haben aber auf dieser Ebene die Möglichkeit, durch eine Menge Detailschilderung von anderen Fragen abzulenken).

Zooming-in bzw zooming-out bedeutet nun, soweit in die Zwiebel hinein- oder heraus zu zoomen, bis Sie eine Schalen-Ebene finden, über die Sie gut reden können. Das muss nicht dieselbe Schalen-Ebene sein, nach der der Reporter gefragt hat. Aber selbst wenn er noch einmal nachfragt, wirkt ein ausweichendes, kurzes „Da sind wir noch in der Planung/im Gespräch“ erheblich befriedigender als wenn Sie ausschließlich diese dürre Nachricht präsentieren.

Achtung: je ungefährer die Frage ist, desto besser funktioniert das Zoomen. Bei sehr direkten Fragen zu heißen Themen („werden Sie den Standort X schließen?“) braucht es eine andere Strategie.

Im Sinne des Zooming-Ins verfährt man übrigens auch mit sogenannten Blumenstraußfragen. Unerfahrene Interviewer kombinieren gern mehrere Einzelfragen. Das klingt dann so: „Wollten Sie eigentlich schon immer Vorstand werden, wie war eigentlich Ihr Werdegang und was sagen Ihre Mitarbeiter zu Ihrer neuen Position?“ Solche Fragen dürfen Sie natürlich gern in einem gut gewichteten Dreiklang beantworten – sofern Sie sich noch an die drei Aspekte erinnern. Für viele Interviewprofis ist dies aber die Einladung zu einem Zooming-in: Welche Frage davon beantworten sie? Die angenehmste natürlich, und zwar in aller Ausführlichkeit! Und was machen sie mit den anderen Fragen aus dem ‚Blumenstrauß‘? Wie – da gab’s noch andere Fragen…..?  😉

Sie haben Fragen oder Anregungen dazu? Dann mailen Sie mir gern oder rufen mich an.