KategorieHier spricht der Chef – Ratgeber für Video und Bühne

Sich einen Text zu eigen machen

Angenommen, Sie sind eine vielbeschäftigte Führungskraft. Zu Ihren Aufgaben gehören neben dem Tagesgeschäft auch Vorträge, Video-Botschaften, Grußwörter. Aus Zeitgründen formulieren diverse Mitarbeiter diese Texte für Sie. Aber wenn Sie dann den Vortrag halten, fühlen Sie sich ferngesteuert. Und für andere wirkt der Text womöglich abgelesen. Ist Auswendiglernen die Lösung? Nein, bloß nicht!

Mein Tipp: führen Sie den ausformulierten Fremdtext auf Ihre persönlichen Stichworte zurück. Und das geht so:

  1. Sie lassen sich den Text als Datei geben. Nicht als Papierversion.
  2. Sie MÜSSEN diesen Text wenigstens einmal für sich selbst durchgehen. Sie „durchleben“ die Argumente und machen sie so zu Ihren eigenen (oder Sie streichen sie). Können Sie sich mit jedem einzelnen Argument verbinden? Können Sie sich das Gefühl vorstellen, es auszusprechen? Wenn nicht, weg damit!
    • Dieser Durchgang ist für diese Methode unumgänglich, sonst funktioniert sie nicht. Es mag am Anfang noch Konzentration erfordern, später gelingt es Ihnen en passant. Man braucht dafür keinen Schreibtisch. Es geht auch auf der Autorückbank oder im Flieger.
  1. Sie dampfen den Text in der Datei ein:
  • Variante 1: Sie markieren farblich die Schlüsselwörter in den Sätzen.
  • Variante 2: Sie lassen pro Satz nur die Schlüsselwörter stehen und ersetzen alle anderen Wörter durch Striche. Das sieht in etwa so aus:
    • Das wichtigste – – – sagen- – Umsatz – – – stolz —- feiern!
  1. Sie drucken den Text aus und kleben ihn bei Bedarf auf Moderationskarten.
  2. Sie probieren den Vortrag mit dem reduzierten Text einmal aus. Aber nur, wenn Sie Zeit dafür haben!

Wenn Sie dann den Vortrag halten, werden Ihnen trotz der wenigen verbliebenen Worte im Skript die Argumente wieder einfallen. Und Sie werden sie in Ihren Worten formulieren. Echt und authentisch. Überzeugend und leidenschaftlich. Die Befürchtung, dass Ihnen die Füllwörter aus den Sätzen fehlen werden, ist unbegründet. Denn Sie finden Ihre eigenen.

Aber bitte beherzigen Sie: diese Methode funktioniert nur, wenn Sie sich zu Beginn ein, zwei Mal mit diesem Fremdtext verbinden.  Nur dann finden Sie während des Vortrags wieder intuitiv in das Thema hinein.

Ihr wärt gern wie ich

Egal, wie schlecht die Nachricht ist, die Sie zu verkünden haben:  Ihr Publikum honoriert schon allein die Tatsache, dass Sie sich zeigen – ob nun auf der Bühne oder im Video. Wenn Sie beispielsweise auf einer Mitarbeiterversammlung für Sparmaßnahmen werben müssen, werden Ihnen natürlich Aggression und Ablehnung entgegenschlagen. Aber genauso viele Menschen werden Sie für diesen Auftritt respektieren. Denn Sie zeigen Mut und Aufrichtigkeit in der Sache. Sie zeigen Ihr Gesicht.

Und es gibt noch einen weiteren Faktor: Ein Auftritt vor Publikum erzeugt per se Bewunderung. Denn Sie stehen oben auf der Bühne, das Publikum sitzt unten. Sie sind bildfüllend im Video zu sehen, der Zuschauer bleibt ungesehen im Dunklen. Sie sprechen, er muss schweigen. All diese Details wirken unbewusst und erzeugen zusätzlich Respekt und Anerkennung. Wenn Sie sich dieser unbewussten Vorschusslorbeeren bewusst sind, werden sie Ihnen über etwaige Anfangsnervosität und Lampenfieber hinweghelfen. Der Satz „Ihr wärt gern wie ich“ könnte Ihr Mantra sein.

Und natürlich hilft Ihnen dieser ‚Bühnen-Faktor‘ auch bei neutralen und positiven Botschaften! Dann erst recht!

Wohin mit den Händen?

Der Vorteil eines Stehpultes ist, dass man sich dahinter verstecken kann. Aber leider sind Pulte out. Am angesagtesten sind freie Vorträge mittels Prompter oder Mnemotechnik. Wohin dann mit den Händen?

Namhafte Vortragsredner empfehlen, sich überhaupt nicht um die eigenen Hände zu kümmern. Nach dem Motto: wenn ich mich mit mir wohlfühle, dann passt meine Handhaltung/Gestik zu mir. Genau dieser Meinung bin ich auch, denn auch ich denke: Schönheit kommt von innen! Mit der geeigneten Einstellung zu sich und zur Situation wirken Sie authentisch. Und Authentizität schlägt alles.

Wenn Sie trotzdem ein paar Leitplanken suchen – hier sind sie:

  1. Unterstreichen Sie mit Ihren Händen Ihre Aussagen. Dies wirkt noch natürlicher, wenn Sie während Ihres Vortrags leicht auf und ab gehen können.

Wenn Ihre Gestik dezenter wirken soll, bewegen Sie Ihre Hände im Bereich zwischen Gürtellinie und Brust. Das geht so: zuerst lassen Sie Ihre Arme seitlich am Körper hängen. Dann winkeln Sie die Unterarme etwas an und lassen zwischen Ellenbogen und Körper eine Winzigkeit Luft.  In dieser (Ellenbogen-)Position ist alles erlaubt: Sie können mit Unterarm und Händen kreisen, Bögen beschreiben oder anderweitig Ihre Aussagen unterstreichen. Es wirkt nicht übertrieben, weil Sie Ihre Hände nur leicht über der Gürtelhöhe halten.

  1. Sie verwenden Moderationskarten. Egal, ob Sie drauf schauen oder nicht – sobald Sie etwas in den Händen halten, entwickelt sich eine natürliche Gestik. Manche Redner benutzen Moderationskarten ausschließlich, um ihre Hände zu beschäftigen. Ihnen ist das zu offensichtlich? Nun ja, wenn es Sie beruhigt, ist es für den Anfang besser als nichts.
  2. Wenn Sie vor dem Vortrag (oder im Interview) auf ihr Stichwort warten: lassen Sie den einen Arm in der angewinkelten Position, den anderen lassen Sie neben dem Körper hängen. Das sieht elegant und natürlich aus.

Sie können auch beide Unterarme einfach in der angewinkelten Position belassen. Sie können die Fingerspitzen der beiden Hände leicht verhakeln, oder die Fingerspitzen aneinanderlegen, oder Sie legen den Handrücken der einen Hand in die Handfläche der anderen.

Meine persönlichen No-Gos: Hände in den Hosentaschen, verschränkte Arme und die Merkel-Raute. Erstere wirken auf mich, als hätten Sie etwas zu verbergen. Letzteres wirkt außerordentlich gekünstelt.

Ihr Lieblings-Zuschauer

Bei einer persönlichen Unterhaltung schaut man dem Gegenüber ins Gesicht. Bei einer Video-Botschaft gibt es nur die Kamera. Und sie sendet womöglich noch nicht einmal live. Also nicht nur kein Gesicht zu sehen, sondern tatsächlich (noch) keines da! Kann man trotzdem eine Verbindung zu dem späteren Zuschauer aufbauen?  Man kann! Diese Herausforderung teilen Sie mit sämtlichen TV- und Radiomoderatoren. Das Geheimnis: Stellen Sie sich Ihren idealen Zuschauer in der Phantasie vor – in welcher Situation ist er gerade? Aus welchem Umfeld kommt er? Wie sieht er aus? In welcher Stimmung ist er? Es mag Ihnen wie Hokuspokus vorkommen, aber man sieht und hört es Ihrem Vlog an, ob Sie einen solchen Zuschauer-Idealtypus vor Augen hatten oder ob Sie ins Leere geredet haben. Wer ins Leere spricht, wirkt nach innen gekehrt. Und das kappt den Draht zum Publikum.

 

Laangsaam!

„GutenTagmeineDamenundHerren, wieschöndassichvorIhnensprechendarf………“ Puh! Schnellsprecher hoffen, dass sie durch hohes Vortragstempo frisch und präsent wirken.  Nur ja niemanden einschläfern! Aber sie erreichen genau das Gegenteil. Sie ermüden ihr Publikum.  Das muss sich nämlich anstrengen um zu folgen, es reagiert genervt und – noch schlimmer – es zweifelt alsbald an Ihrer Glaubwürdigkeit. Denn Menschen spulen beim natürlichen Sprechen ja auch keinen fertigen Text ab, sondern sie entwickeln ihn zeitgleich in ihren Gedanken. Dadurch entstehen Pausen und Tempowechsel.  Das gilt umso mehr, wenn Sie in Ihrem Gegenüber etwas bewirken wollen, wenn Sie also Emotionen und Appelle transportieren. Also: versuchen Sie es mit dem halben Tempo und machen Sie Pausen zwischen den Sätzen!

Kleiner Heimvorteil: wer nicht schneller spricht als er mitdenken kann, verhaspelt sich seltener und verliert nicht so bald den Faden.